Ein validiertes Earned Value Management System (EVMS) bei Regierungsaufträgen

Earned Value Management ist in den USA schon seit Jahrzehnten ein wichtiges Thema, speziell weil die US Regierung bei großen Aufträgen bei deren Lieferanten EVM explizit einfordert. Sie fordert EVM nicht nur ab einer bestimmten Projektgröße, sondern validiert das Earned Value Management System bei ihren Unterlieferten, nachdem das Projekt gestartet ist. Sie erfahren in diesem Artikel die wichtigsten Grundlagen bezüglich EVM bei Regierungsaufträge und was Sie über die Validierung eines EVMS wissen müssen. Lesen Sie weiter und erfahren Sie die Details.

Die Auftragsgröße bestimmt den Aufwand

Das DoD und die anderen Regierungsstellen in den USA waren schon vor jahrsehnten die ersten systematischen Anwender von EVM. Danach verbreitete sich EVM laufend in verschiedenen Industriebereichen. Entweder wurden Auftragnehmern des DoD in der Industrie EVM vorgeschrieben, oder Unternehmen erkannten selbst die großen Vorteile dieser Methode.

Im Oktober 2015 wurden die Beschaffungsvorschriften der US-Behörden an­gepasst inklusive der darin beschriebenen EVM-Anforderungen. Die neuen EVM-Anforderungen spezifizieren zum Beispiel neue Grenzen, ab denen eine EVM-Strategie angewendet werden muss, um für einen Auftrag in Frage zu kommen. Die Grenze, ab welcher ein validiertes EVMS angewendet werden muss wurde dabei von $50 Million auf $100 Million erhöht. Das Resultat daraus könnte sein: Keine EVM-Implementierung – kein Auftrag!

Die folgende Abbildung zeigt eine Übersicht, wie EVM in den USA angewendet wird. Auf der linken Seite sehen Sie die kleineren und größeren Unternehmen, insbesondere aus der Privatindustrie. Hier gibt es oft keine Vorgaben, in welchem Detaillierungsgrad EVM anzuwenden ist. Tendenziell werden kleinere Unternehmen den Aufwand geringer halten, größere Unternehmen werden umfangreichere Vorschriften definieren. Für sehr große, risikoreiche Projekte sollten jedoch klare Vorschriften definiert werden.

EVM Implementation and Reporting Requirements
EVM-Anwendung und Reportingvorschriften bei Regierungsaufträgen

Auf der rechten Seite der Abbildung sehen Sie wie EVM beim DoD angewendet wird. Für Projekte >$20 Mio. und einer Dauer von mehr als 12 Monaten sind klare Rapportierungsvorschriften definiert. Ein Hauptelement dabei ist der Cost Performance Report mit Format 1 und 5. Zusätzlich ist ein EIA-748 konformes EVMS anzuwenden. Risikoreiche Projekte haben auch unterhalb dieses Betrages nach diesen Vorschriften zu rapportieren. Sehr große Projekte mit Kosten >$100 Mio. haben ein konformes und validiertes EVMS nach EIA-748 anzuwenden und rapportieren mit dem Cost Performance Report (CPR) mit den Formaten 1 bis 5.

Kostenrisiko selber tragen oder ein konformes EVMS anwenden

Bei Regierungsaufträgen ab $100 Mio. Auftragsgröße müssen Sie ein konformes und validiertes EVMS nach EIA-748 anwenden. Nachdem die Projektarbeiten gestartet wurden, wird das EVMS wird von der Regierung geprüft und validiert.

Nachfolgend finden Sie eine Beschreibung, was die Anforderungen an ein vollständig konformes EVMS sind und wie man belegen muss, dass man diese auch umsetzt.

Nehmen wir an, Ihr Unternehmen bekommt einen Request for Proposal (RFP) und wünscht ein Angebot dafür abzugeben. Der RFP enthält die Klausel DFARS 252.234-7001, wenn das Projekt der amerikanischen Regierung voraussichtlich mehr als $20 Millionen kostet. Was für eine Wahl als Unternehmen haben Sie hier? Sie können diese Klausel ignorieren und Ihr Angebot als Fixed Price (FFP) abgeben. Damit trägt jedoch Ihr Unternehmen das gesamte Kostenrisiko, besonders wenn der Projektumfang nicht genau bekannt und nicht “routinemäßig” lieferbar ist. Das Risiko wird für Sie nicht akzeptabel sein.

Bei allen anderen Vertragsformen muss ihr Unternehmen ein EVMS anwenden. Speziell wenn die Projektkosten $100M überschreiten, schreibt die DFARS-Klausel vor, dass Sie ein vollständig konformes Earned Value Management System gemäß der Definition in EIA-748 anwenden müssen. Wenn Ihr System noch nicht validiert ist, das heißt, durch die Regierung akzeptiert worden ist, dann ist im Angebot anzugeben, wie die Validierung erreicht werden soll.

Dies umfasst eine Beschreibung des vorgeschlagenen Systems:

  • Eine kommentierte Checkliste, die Bezug nimmt auf jedes der 162 Managementsystem Kriterien
  • Vorgeschlagene Änderungen am bestehenden System
  • Lebensläufe des Personals, die das kompatible System designen und implementieren
  • Eine Beschreibung, wie die Anforderungen der Guideline erfüllt werden, inkl. einer Beschreibung der Unterlieferanten compliance und einem Zeitplan für das Erreichen der EVMS compliance

Bestehendes Control-System überprüfen und Managemententscheid

Schritt 1: Das Unternehmen mit den Anforderungen der EIA-748 Guideline bekannt machen und die volle Zustimmung des Senior Managements erhalten.

Schritt 2: Das bestehende Management Control System reviewen, inklusive der bestehenden Software und überprüfen, wie diese die vollen EVM-Anforderungen unterstützt. Diese Informationen sind die Basis für den Implementation-Plan und für die Kosten der Anpassungen.

Schritt 3: Management-Entscheid:

  1. Kosten Nutzen des EVMS reviewen und eventuell die Angebotsstrategie zu einen Firm Fixed Price (FFP) Angebot wechseln und eine EVMS Implementierung stoppen ohne signifikante Investments
  2. Entscheid ein EVMS Schritt für Schritt einzuführen oder
  3. Kein Angebot abgeben

Die Schritte ein validiertes EVMS einzuführen

Nachfolgend finden Sie die wichtigsten Schritte zur Einführung ein validierten EVMS:

  1. Das bestehende Management-System und Subsysteme im Detail reviewen und entsprechende Schwachstellen und Defizite aufdecken. Lösungen dafür identifizieren, das finale System Design entwickeln und einen überarbeiteten Implementation-Plan und dies vom Management genehmigen lassen.
  2. Entwickeln einer EVMS kompatiblen System-Beschreibung, Prozesse und Instruktionen. Diese beschreibt, wie das System die EIA-748 Anforderungen umsetzt. Umsetzen der Prozesse in Softwaretools und Werkzeugen. Entwickeln von Schulungsmaterial.
  3. Schulen aller Managementebenen, Control Account Manager, Project Manager etc.  in der Anwendung des EVM-Systems
  4. Anwenden des EVM-Systems, idealerweise bei dem Projekt, bei dem man ein Angebot abgegeben hat und den Auftrag erhalten hat. Normalerweise sind drei Monate System-Daten und Reporting notwendig, bevor im nächsten Schritt das EVMS-System reviewed und validiert werden kann.
  5. Bei mindestens einem Besuch der EVMS-Verantwortlichen des Auftraggebers (bei DOD Aufträgen Vertreter der Defense Contract Management Agency) wird überprüft, ob das System gemäß der gelieferten Beschreibung vorgelegtem Plan umgesetzt wird. Der Besuch dauert zwei bis drei Tage und wird von drei oder vier qualifizierten Regierungsvertretern durchgeführt.
    Wenn das Unternehmen danach das Self Assessment durchgeführt hat, kann die Review Agentur für ein Validation Review angefragt werden. Dieses wird ca. 12 Monate nach Auftragsstart durchgeführt, ist sehr aufwändig und beschäftigt 15 bis 20 Reviewer für mindestens 2 Wochen!  Das Unternehmen hat dabei jeglichen Support zu leisten, wie z.B. Räume, Computer, Drucker. Das Validation Review wird immer mit verschiedenen Punkten enden, die noch verbessert werden müssen. Sobald diese erledigt sind wird der “System Acceptance Letter” ausgestellt.
  6. Als letzter Schritt folgt das Surveillance Review, welches überprüft, ob das implementierte System auch gemäß EIA-748 Guideline gelebt wird. Dieses wird durchgeführt, weil die Erfahrung zeigt, dass die Anwendung von EVM-Systemen mit der Zeit nachlässt, das Management Commitment nachlässt, man Short-Cuts macht  und sich oft eine Laissez-faire Einstellung breit macht. Bei länger dauernden Projekten wird das Surveillance Review mehrmals durchgeführt, z.B. jährlich.

Lohnt sich all dieser Aufwand? Für Projekte mit der Größenordnung von mehr als $100M schon, für kleinere Projekte definitiv nicht.

Die EIA-748 und die 32 EVMS-Kriterien

Mehr Details zu den Schritten zu einem validierten EVMS System

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