Earned Value Management sehr bald überholt?

Während der Closing Session des PMI North America Congress 2009 prophezeite Harold Kerzner das baldige Ende des Earned Value Managements. Er sieht die Zukunft in Value Management Methoden, die den Wert bzw. Nutzen eines Projekts für die Businessseite erfassen. Damit fordert er insbesondere von Projektmanagern ein tieferes Verständnis für das Business. Er betont, dass die bisherige Fokussierung auf Zeit und Kosten als Massstab für den Projekterfolg in Zukunft der Frage nach dem Wert bzw. Nutzen eines Projekts untergeordnet wird.

Mich erstaunt die Aussage von Harold Kerzner, mit dem ich persönlich schon gesprochen habe. Da ich seine Aussage nicht selbst gehört habe und bisher keine Niederschrift seiner Präsentation gefunden habe kann ich nur spekulieren, dass seine Aussage vielleicht aus dem Kontext gerissen wurde.

Die bisherige Fokussierung auf Zeit und Kosten als Massstab für den Projekterfolg wird in Zukunft der Frage nach dem Wert bzw. Nutzen eines Projekts untergeordnet sein!  (Harold Kerzner)

Der Business-Value eines Projektes

Alle erfahrenen Projektleiter wissen, dass das magische Dreieck mit Kosten, Zeit und Projektumfang/Qualität nicht der vollständige Massstab für den Projekterfolg ist. Was für das Business schlussendlich zählt ist der Nutzen, der „Business Value“. Jetzt kommt aber der entscheidende Punkt, von was hängt der Business Value eines Projektes ab? Die wichtigste Basis dafür ist ein solider Business Case, der zu Beginn des Projektes erstellt wird und während der Projektdauer kontinuierlich überprüft und bei Bedarf angepasst wird. Die periodische Überprüfung ist entscheidend und wird oft vernachlässigt! Denn das Projektumfeld kann sich schnell ändern. Dazu gehören Konkurrenz, Märkte, Technologien, Gesetzte usw.

Der nächste entscheidende Punkt für den Business Value sind das Lasten-/Pflichtenheft und dann die Requirements. Bei all diesen Punkten muss das Business zwingend die Inputs liefern, damit das Projekt dann den Business Value liefern kann. Dass der Projektleiter hier ein gutes Verständnis für die Business-Seite mitbringen muss ist für mich selbstverständlich, sonst hätte er das Projekt nicht erhalten. Wenn das Business seinen Teil seriös gemacht hat liegt es dann am Projektleiter und seinem Team das Projekt in der entsprechenden Zeit, zu entsprechenden Kosten und Qualität zu liefern. Die folgende Grafik aus meinem Risikomanagement-Buch hilft vielleicht den Sachverhalt etwas besser zu verstehen.

Projekterfolg hat zwei Seiten

Jetzt kommen wir zum Earned Value Management. Die Projektkosten sind ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaftlichkeitsrechnung, denn überschrittene Projektkosten können die Wirtschaftlichkeit des Projektes sehr schnell ruinieren. Neben EVM sind natürlich auch das Risikomanagement, Qualitätsmanagement, Projektumfang-Management und das Ressourcenmanagement wichtige Werkzeuge, die in den Projektcontrolling-Prozess einfliessen. Was ist nun in der ganzen Diskussion entscheidend:

  • Das Business muss ihren detaillierten Input für den Business Case, Lasten-/Pflichenheft und Requirements liefern.
  • Der Business Case mit der Wirtschaftlichkeitsrechnung ist kein statisches Dokument und muss periodisch überprüft werden.
  • Ohne Projektabwicklungserfolg (Zeit, Kosten, Qualität/Projektumfang) gibt es keinen Business Value (Systemerfolg).
  • Der Massstab für den Business Value sind: Wirtschaftlichkeit, Akzeptanz und Sicherheit.
  • Selbstverständlich braucht der Projektleiter ein gutes Verständnis für das Unternehmens-Business und die Themen Business Case und Projektwirtschaftlichkeit.

Meiner Ansicht nach hat das Statement von Harold Kerzner uns wieder einmal angestossen sich mehr mit dem Nutzen von Projekten zu beschäftigen und was die Grundlagen dafür sind. Das ist jedoch nur gute, alte Projektmanagement-Praxis – nicht Neues! Zusammenfassend: Klar sind Zeit und Kosten dem Business Value untergeordnet, aber ohne EVM als ideales Kostencontrolling-Instrument könnte der Business-Value gefährdet sein!

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