Risikomanagement hat bei vielen Projekten leider immer noch einen sehr geringen Stellenwert. Der Nutzen des Risikomanagements wird sehr oft unterschätzt und es gibt viele Mythen über das Risikomanagement. Es gibt Projekte, bei denen man von Anfang an weiss, dass sie viele Risiken in sich bergen und es gibt Projekte die scheinbar risikoarm sind, aber nach einer gewissen Zeit von „unvorhergesehenen“ Problemen eingeholt werden.
Am 1. Juni wird in der Schweiz der Gotthard-Basis-Tunnel (GBT) offiziell eröffnet und geht mit dem Dezember-Fahrplanwechsel in Betrieb. Ein Mega-Projekt, dass mit einer Idee 1947 starte und am 1. Juni 2016, ein Jahr früher als geplant, vollendet wird und 12 Milliarden Schweizer Franken kostete. Das grösste Projekt in der Schweiz in den letzten hundert Jahren hatte unbestritten sehr viele Risiken. Ohne aktives Risikomanagement wäre dieses Projekt heute noch lange nicht fertig und hätte vermutlich viel, viel mehr gekostet.
Was wäre wenn etwas schiefläuft?
Der Geamt-Projektleiter Peter Jedelhauser sagte zu einem Journalisten ein paar Monate vor der Inbetriebnahme auf die Frage: „Erwachen Sie zuweilen in der Nacht mit dem Gedanken: Habe ich etwas Wichtiges vergessen?“ folgendermassen:
„Wir haben die Planung etwas anders aufgezogen als bei anderen vergleichbaren Projekten. Wir sind von den Risiken ausgegangen: Was wäre, wenn etwas schiefläuft? Oder, wie man heute sagt: «What if ?» So kamen wir zu vielen wertvollen Überlegungen und Erkenntnissen. Was, wenn wir bei einem Rollmaterialtyp einen Nachweis nicht erbringen können? Was tun wir, wenn wir Schwierigkeiten bei einer Baubewilligung erkennen? Was mache ich dann? Was ist die Rückfallebene? Aber auch: Wann muss ich sie auslösen? Weil wir uns diese Fragen ständig gestellt und überall Alternativen ausgearbeitet haben, bin ich relativ ruhig. Klar kann etwas passieren, aber ich denke, wir sind vorbereitet.”
Wir hatten mehrere alternative Notfallpläne bereit
Beim Gotthard-Projekt war die Projektleitung auf die meisten Risiken vorbereitet und hatte teilweise mehrere alternative Notfallpläne bereit, falls die eingeleiteten Massnahmen zur Risikoverminderung oder -Vermeidung nicht gewirkt hätten. Es gab aber auch Risiken, die eintrafen und für die man nur beschränkt Massnahmen definieren konnte, oder Risiken, die man nicht erkannt hat.
Überall stecken Risiken, viele kann man erahnen und etwas dagegen tun
Der Projektleiter des Baudienstleiters antwortete auf die Frage: „Ging etwas schief ?“
„Der Berg ist stärker – auch diese Weisheit mussten wir akzeptieren. Einerseits stellten wir im Baulos Erstfeld den Tagesrekord mit einer Vortriebsleistung von über 56 Metern auf, anderseits blieb dieselbe Tunnelbohrmaschine bei Amsteg verschüttet stehen. Innerhalb eines Meters wechselten die geologischen Verhältnisse von hartem, standfestem Gneis zu lockerem Kies, welcher wie ein Murgang in den Tunnel einfloss und den Bohrkopf der Maschine blockierte. Trotz ihrer 5000 PS war sie machtlos. Mit Erfindungsgeist, Ingenieurskunst und viel Knochenarbeit konnte das Team den Koloss in sechs Monaten aus der Umklammerung des Bergs befreien.
Sie sehen, überall stecken Risiken, viele kann man erahnen und etwas dagegen tun, von einigen Problemen wird man einfach überrascht, das sind dann die nicht identifizieren Risiken, die unknown Unknowns. Für diese brauchen Sie dann Notfallreserven in Zeit und Budget.
Aussergewöhnliche Projektrisiken versichern
Mit einer Versicherungssumme von rund elf Milliarden Franken ist der Bau des Gotthard-Basistunnels das grösste Risiko, welches die Allianz Suisse in der Schweiz jemals versichert hat. Megabauprojekte, wie der Gotthard-Basistunnel, bergen enorme Risiken wie Niederbrüche, Feuer, Wassereinbruch, Gasaustritt, Erdbeben, schweres Gerät, Sprengstoffeinsatz oder der Mensch selbst. Die Schäden können sich im Extremfall schnell auf mehrere hundert Millionen Franken summieren. Das heisst: Ohne entsprechende Versicherungslösungen wäre das Risiko beim Bau des Gotthard-Basistunnels allein bei der Bauherrschaft AlpTransit Gotthard AG bzw. bei den beteiligten Bauunternehmungen verblieben.
Grösster Versicherungfall: 2 Millionen Franken
Die Arbeiten am Gotthard bildeten in jeder Beziehung ein aussergewöhnliches Risiko. Neben dem Bauwerk selber galt es auch, die am Bau beteiligten Personen sowie die eigens für diesen Zweck gebauten Infrastruktureinrichtungen wie Betonwerke, Verladeterminals, Umspannanlagen, Deponien, Sprengstofflager, Kantinen sowie Büro- und Wohncontainer zu versichern. Besonders kritisch waren die grossen Arbeitstiefen mit hohen Temperaturen und druckhaftem Gebirge sowie die Gefährdung durch die schweren Maschinen.Der grösste Einzelschaden betrug knapp zwei Millionen Franken, als vor rund zehn Jahren in Sedrun ein Tunnel beim Vortrieb zusammengesackt war und stabilisiert werden musste – zu einer Bauverzögerung hatte das aber nicht geführt. Erschütterungen oder Bergschläge, die durch den Tunnelbau verursacht wurden, waren andere Schadenbeispiele.
Durch aktives Risikomanagement der Bauherrschaft blieben die Schäden trotz des enormen Risikopotenzials für die Allianz Suisse insgesamt sogar unter den Erwartungen im Tunnelbau.
Ich hoffe dieser Beitrag inspiriert Sie das Risikomanagement in Ihrem Projekt noch ein wenig intensiver und systematischer durchzuführen und so Ihr Projekt noch erfolgreicher zu machen! Kommentieren Sie diesen Beitrag und geben Sie Ihre Erfahrungen mit Risikomanagement in Ihrem Projekt weiter.