Es gibt viele Arten von Risiken, die Ihr Projekt bedrohen. Diese sind abhängig von der Art des Projektes oder in welchem Industriebereich dieses durchgeführt wird. Eine spezielle Art von Risiken, die aber oft nicht beachtet wird sind die Annahmen, die in den meisten Projekten gemacht werden. “Wir nehmen an, dies wird schon so sein oder so eintreffen”. Dies ist nicht nur in Projekten so. Annahmen machen wir auch oft im Privatleben. Lesen Sie weiter und erfahren Sie, wie Sie zukünftig dieser Art von Risiken mehr Beachtung schenken.
Was sind Annahmen?
Annahmen sind Vermutungen und Meinungen, die ohne Beweis als wahr oder als gewiss angenommen werden, oft ohne darüber kritisch nachgedacht zu haben. Auf Annahmen basieren dann weitere Arbeiten und Entscheide in einem Projekt. Wenn sich herausstellt, dass die gemachten Annahmen falsch sind, dann müssen Sie als Folge davon vielleicht später mehr oder weniger große Probleme lösen.
Bei Annahmen ist man oft zu optimistisch – man nimmt oft den Best Case an und generiert deshalb potenzielle Risiken für das Projekt. „Wir nehmen an, das Gesetz wird bis zum Dezember 2020 verabschiedet.“ Wenn sich jedoch einige Politiker im Parlament quer stellen, dann löst sich das erwartete Gesetz sehr schnell in Luft auf und man hat dann vielleicht ein größeres Problem im Projekt. Dieses Sprichwort passt sehr gut hierzu:
„Was uns Probleme bereiten wird, ist nicht was wir nicht wissen, sondern was wir annehmen zu wissen.“
Mark Twain
Wir machen täglich Annahmen
In Projekten machen wir immer wieder Annahmen, weil wir oft über gewisse zukünftige Zustände oder Ereignisse nicht sicher sind. Wir sind zu Annahmen auch oft positiv eingestellt, dass diese so eintreffen werden wie angenommen. Hier ein paar einfache Beispiele:
- Wir nehmen an, das Parlament wird das geplante Gesetz in einem Monat genehmigen
- Wir nehmen an, die Projektressourcen werden von der IT-Abteilung genehmigt
- Wir nehmen an, das bestellte Zulieferteil wird, wie versprochen, bis zum 11. November eintreffen.
- Wir nehmen an, der Lieferant ist solvent.
Annahmen sind grundsätzlich nicht schlecht
Annahmen können hilfreich sein, da sie Ihnen ermöglichen, mit der Planung und Ausführung eines Projektes fortzufahren, auch wenn Sie noch nicht über alle erforderlichen Informationen verfügen. Annahmen können jedoch auch bedeutende Risiken mit sich bringen, wenn die Annahmen nicht klar identifiziert und angemessen gemanagt werden.
Annahmen sollten ein fester Bestandteil Ihrer Risikomanagement-Aktivitäten sein
Zuerst müssen Sie sich bewusst sein, dass Sie eine Annahme machen. Annahmen enthalten immer Risiken. Deshalb sollten Sie diese in Ihr Risikolog aufnehmen oder in eine eigene Liste mit allen annahmen.
Auch in Risikoidentifikations-Meetings sollten Sie der Frage nachzugehen, ob das Team in gewissen Situationen Annahmen gemacht hat und auf diesen das weitere Vorgehen plant.
Bei der Risikoanalyse sollten Sie bei den Annahmen genau definieren, was diese Annahmen für ein Risiko darstellen, was deren Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung ist, wenn sich herausstellt, dass die Annahmen falsch sind und was Sie für Maßnahmen definieren, wenn dieses Risiko eintritt.
Der PMBOK® empfiehlt dem Projektleiter die Stabilität der Annahmen periodisch zu überprüfen. Das heißt: Sind die Annahmen noch realistisch und sind sie noch gültig? Was sind die Konsequenzen, wenn die Annahmen falsch sind? Diese Fragen sollte sich das Projektteam immer wieder stellen.
Dies sind typische Aktivitäten beim Managen von Annahmen:
- Definieren und dokumentieren Sie Annahmen: Es ist wichtig, alle Annahmen, die Sie zu Beginn oder während der Durchführung eines Projekts treffen, klar definieren und dokumentieren. Dazu gehören z.B. Annahmen über den Projektumfang, die Anforderungen, die Ressourcen, den Zeitplan und vieles mehr. Indem Sie diese Annahmen dokumentieren, machen Sie sie für alle Beteiligten und Teammitglieder transparent.
- Identifizieren Sie kritische Annahmen: Einige Annahmen sind für den Projekterfolg kritischer als andere. Identifizieren Sie diese wichtigen Annahmen und geben Sie ihnen Priorität für die weitere Analyse und Validierung. Konzentrieren Sie sich darauf, die mit den kritischen Annahmen verbundenen Risiken zu mindern.
- Validieren Sie Annahmen: Arbeiten Sie im Laufe des Projekts daran, Ihre Annahmen zu validieren. Dazu können Sie Nachforschungen anstellen, Expertenmeinungen einholen oder Experimente durchführen. Je mehr Sie Ihre Annahmen validieren können, desto geringer ist ihr Risiko.
- Überwachen und aktualisieren Sie die Annahmen: Die Projektbedingungen können sich ändern, und es können neue Informationen verfügbar werden. Es ist wichtig, dass Sie Ihre Annahmen ständig überwachen und bereit sind, sie bei Bedarf zu aktualisieren. So können Sie sicherstellen, dass Ihr Projekt auf dem richtigen Weg bleibt.
- Annahmen kommunizieren: Transparente Kommunikation ist ein Kernelement im Projektmanagement. Stellen Sie sicher, dass alle Beteiligten über die getroffenen Annahmen und alle Aktualisierungen oder Änderungen dieser Annahmen informiert sind. Dies beugt Missverständnissen vor und schafft eine einheitliche Erwartungshaltung.
- Notfallplanung: Ziehen Sie bei Ihrer Projektplanung Notfallpläne für Annahmen in Betracht, die schwer zu validieren sind oder ein hohes Maß an Unsicherheit aufweisen. Auf diese Weise sind Sie auf mögliche Probleme vorbereitet, wenn bestimmte Annahmen nicht zutreffen.
- Funktionsübergreifende Zusammenarbeit: Arbeiten Sie mit Fachexperten, Teammitgliedern und Stakeholdern zusammen, um Input und Erkenntnisse zu den Annahmen zu sammeln. Unterschiedliche Perspektiven können helfen, Annahmen zu bestätigen oder zu widerlegen.
- Überwachen von Annahmen: Verwenden Sie Projektmanagement-Tools, um Ihre Annahmen während des gesamten Projektlebenszykluses zu verfolgen und zu verwalten. So können Sie sicherstellen, dass die Annahmen sichtbar bleiben und leicht referenziert werden können.
- Lessons learned: Führen Sie nach Abschluss des Projekts eine Nachbetrachtung durch, um die Richtigkeit Ihrer Annahmen zu bewerten und die gewonnenen Erkenntnisse zu ermitteln. Diese Informationen können für künftige Projekte wertvoll sein.
Es ist deshalb selbstverständlich, dass Annahmen ein fester Bestandteil Ihrer Risikomanagement-Aktivitäten sein sollten.
Annahmen in Ihrem Projekt sind immer potenzielle Risiken.
Zusammenfassung
Als Projektleiter sollten Sie darauf achten, dass alle Annahmen identifiziert und dokumentiert werden. Die Diskussionen mit dem Projektteam, Stakeholdern oder Experten geben weiteren wichtigen Input, welche Annahmen sonst noch getroffen wurden und welche Risiken in den Annahmen enthalten sind. Die Annahmen müssen kontinuierlich überwacht werden. Nur so haben Sie diese Ungewissheiten im Griff. Für Annahmen, die sich plötzlich als ungültig erweisen könnten, sind, wenn sinnvoll, Notfallmaßnahmen zu planen.
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