Projektcontrolling ist eine der Kerndisziplinen des Projektmanagements und eine der wichtigsten Aktivitäten eines Projektleiters. Damit sorgt er, dass Abweichungen von den Planwerten frühzeitig erkannt werden und schnell Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden können. Es wird als selbstverständlich angeschaut, dass jeder Projektleiter sich im Projektcontrolling auskennt und die wirkungsvollen Werkzeuge gezielt einsetzt. Ist das wirklich so? Lesen Sie weiter und erfahren Sie, warum hier noch viel Potenzial brach liegt.
Projektcontrolling liefert Sicherheit und Transparenz
Mit einem guten Projektcontrolling wissen Sie, ob Ihr Projekt so fortschreitet wie geplant und Sie werden, abhängig von Ihrem Überwachungsintervall, schnell Abweichungen feststellen und dann Maßnahmen einleiten, um diese Abweichungen zu beseitigen. Mit einem guten Projektcontrolling schaffen Sie Transparenz und Sie reduzieren Kosten- Termin- und Qualitäts-Risiken. Basis dazu ist ein aktueller und genügend detaillierter Projektplan und Spezifikationen.
Für das Projektcontrolling gibt es einige wirkungsvolle Methoden, die ich in diesem Artikel beschrieben habe: Welches ist die beste Projektcontrolling-Methode?
Kürzlich habe ich eine Frage gelesen, warum Earned Value Management praktisch nicht angewendet wird. Es ist eine der wirkungsvollsten Projektcontrolling-Methoden. Diese Frage habe ich schon öfters gelesen und gängige Antworten sind: Weil EVM so aufwändig und kompliziert ist und nicht für jedes Projekt geeignet ist. Ich denke es liegt nicht am EVM, sondern es besteht ein grundsätzliches Problem bezüglich dem Projektcontrolling. Dieses hat bei gewissen Projektarten aus meiner langjährigen Erfahrung nicht den Stellenwert, den es eigentlich haben müsste. Oft fehlt es auch an den Grundvoraussetzungen für ein wirkungsvolles Projektcontrolling. Welche sind es?
Ich war einige Jahre Projektleiter im Maschinenbau und habe große Industrieanlagen entwickelt und die letzten Jahre war ich in der Finanzindustrie tätig. Zwischen diesen beiden Branchen sieht man einen starken Unterschied, wie das Projektcontrolling angewendet wird und was dafür die Einflussfaktoren sind.
Es fehlt der Anreiz für ein wirkungsvolles Projektcontrolling
Ein Unternehmen im Maschinen- und Analgenbau lebt direkt von Projekten. Große Anlagen werden an Kunden geliefert. Projekte mit einer Dauer von teilweise mehreren Jahren, fixen Kosten und Terminen und Konventionalstrafen, wenn zu spät geliefert wird oder die Qualität nicht stimmt. Das heißt, wenn die Projektkosten höher sind als vertragsmäßig abgemacht oder zu spät geliefert wird hat das einen direkten Einfluss auf den Unternehmensgewinn und vielleicht auch auf den Bonus des Projektleiters und des Managements.
Unternehmen im Finanzdienstleistungsbereich führen Projekte durch, die zu Beginn keinen direkten Kundenkontakt haben. Es werden z.B. neue Versicherungsprodukte, Kreditkartenmodelle, Wertpapierprodukte usw. entwickelt, die man «versucht» am Markt zu verkaufen. Es werden auch interne IT- und Organisationsprojekte durchgeführt. Es sind alles Projekte ohne direkten Einfluss auf den jährlichen Unternehmensgewinn oder den Bonus des Projektleiters oder des Managements. Gibt es hier Konsequenzen, wenn ein Projekt aus dem Ruder läuft? Eher nicht!
Raten Sie mal, in welchen dieser zwei Branchen besteht der größte Druck die Termine und Kosten einzuhalten und den Gewinn der Projekte zu sichern? Ich vermute Sie werden Maschinen- und Anlagenbau sagen. Sie können auch eine Unterscheidung machen zwischen Internen und externen Projekten. Bei internen Projekten, z.B. Organisationsprojekte, IT-Infrastrukturprojekte, Risikomanagementprojekte usw. gibt es selten Kosten- und Termindruck. Hier handelt es sich um internes Budget, dass in „Jahresscheiben“ freigegeben wird.
Überall wo nicht direkt der Schmerz zu spüren ist, wenn Projekte schief lauf, fehlt der Anreiz ein straffes und wirkungsvolles Projektcontrolling anzuwenden. Wenn Sie für sich selbst ein Haus bauen, bin sicher, Ihr Projektcontrolling wird bei diesem Projekt straff sein, denn es geht um Ihr eigenes Geld und Sie wollen termingemäß einziehen. Oder würde es Sie schmerzen, wenn Ihr Haus € 150’000 mehr kosten würde?
Wie entstand Earned Value Management
Das amerikanische Verteidigungsministerium (Department of Defense DoD) vergibt in Jahr Projektaufträge für Entwicklung und Beschaffung im Wert von $101 Milliarden Dollar (Jahr 2020) für Kampfjets, U-Boote, Drohnen, Radars, usw. Bis in die 1960er Jahr hat das DoD die großen Kostenüberschreitungen dieser komplexen Projekte größtenteils selbst getragen. Das schmerzte! Dann aber wurde durch das DOD die Entwicklung von Earned Value Management als Projektcontrolling-Methode forciert. EVM wurde dann im Laufe der Zeit Auftragnehmern vertraglich „aufgebürdet“, für Projekte ab einem gewissen Auftragswert und es wurden auch Vertragsarten definiert (z.B. cost-plus-incentive fee (CPIF) contract), welche das Kosten- und Terminrisiko für das DoD reduzierten. Damit konnte das DoD Kostenüberschreitungen stark reduzieren.
Artikel: So entstand Earned Value Management
Artikel: Earned Value Management bei Aufträgen der amerikanischen Regierung
Projektcontrolling wird oft mangelhaft angewendet, wenn keine Konsequenzen drohen bei Kosten- und Terminüberschreitungen. Ich empfehle Ihnen, auch wenn Sie keine Konsequenzen befürchten müssen, ein seriöses Projektcontrolling in Ihrem Projekt anzuwenden. Und wenn Ihr Unternehmen eine gute Reife im Projektmanagement hat und gute Softwaretools, dann ist vielleicht Earned Value Management ihre Wahl.
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