Verwenden Sie Scrum für Ihr Projekt oder „nur“ agiles Projektmanagement? Sie fragen Sich jetzt vielleicht: „Was soll diese Frage?” Für Verfechter von Scrum gilt: Wer den Scrum Guide nicht genau einhält verwendet nicht Scrum, sondern irgendetwas Anderes. In diesem Artikel lesen Sie wie der Scrum Guide angewendet werden sollte und wann es sinnvoll, oder erlaubt ist, davon abzuweichen.
Das Resultat ist nicht Scrum
Die letzte Version des Scrum Guide von Ken Schwaber und Jeff Sutherland stammt vom November 2017. Ich kenne den Scrum Guide schon fast auswendig, aber den Schlussteil habe ich vermutlich noch nie so konzentriert gelesen. In der „End Note“ des Scrum Guide 2017 seht:
Scrum’s roles, events, artifacts, and rules are immutable and although implementing only parts of Scrum is possible, the result is not Scrum. Scrum exists only in its entirety and functions well as a container for other techniques, methodologies, and practices.
Einfach übersetzt heißt dies für mich: Wer sich nicht genau an den Scrum Guide hält und davon abweicht, benutzt nicht Scrum.
Fragen Sie sich auch, warum dies im Scrum Guide steht? Vielleicht ist dies für all die Personen, die sagen sie benutzen Scrum, wenn Sie ein Daily Standup Meeting abhalten oder für die, die Ihre Entwicklungsphasen plötzlich Sprint nennen? Das ist natürlich definitiv nicht Scrum und nicht einmal agiles Projektmanagement! Für agiles Projektmanagement selbst gibt es keine eindeutige Definition. Was aber Agilität im Projektmanagememt bedeutet habe ich z.B. hier beschrieben.
Scrum auf den Punkt anwenden?
Wie strikt meint nun Ken Schwaber und Jeff Sutherland die obige Aussage? Im Scrum Guide 2017 steht auch, dass Scrum heute in den verschiedensten Bereichen verwendet wird und nicht nur in der Software-Entwicklung sondern auch in der Entwicklung von Hardware, eingebetteter Software, Netzwerken mit interagierenden Funktionen, autonomen Fahrzeugen, Schulen, Behörden, Marketing, Management von Organisationen und fast allem, was wir in unserem täglichen Leben als Einzelpersonen und Gesellschaften verwenden. Wirklich?
Ich bin mir aber nicht so sicher, ob Jeff Sutherland tatsächlich meint, dass diese Bereiche Scrum „auf den Punkt anwenden“. Auch in seinem Buch „Scrum: The Art of Doing Twice the Work in Half the Time„ schreibt er, dass Scrum zum Beispiel als Methode in dänischen Schulen verwendet wird. Wie ich es aber verstanden habe, arbeiten die Schüler dort nur selbstorganisierend, aber von Scrum sind diese vermutlich weit entfernt.
Die Regeln von Scrum dürfen, gemäß Scrum Guide nicht verändert werden. Scrum lässt aber auch Freiheiten, z.B.
- wie lange ein Sprint sein kann: eine, zwei, drei oder maximal 4 Wochen.
- Wie viele Teams an einem Projekt arbeiten
- Wie groß ein Scrum-Team ist (Empfehlung: zwischen 3 und 9 Personen)
- Was für Werkzeuge Sie für die Überwachung des Fortschritts verwenden, z.B.: Burn-down Chart, Burn-up Chart
- Mit welchen Fragen das Daily Scrum durchgeführt wird
- Für welche Projekte Scrum anwendbar ist: Software, Hardware, Industrie, Schulen
Scrum als Container für andere Methoden und Techniken
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass im obigen Zitat auch steht: “Scrum functions well as a container for other techniques, methodologies, and practices”. Was heisst dies jetzt genau? Man soll Scrum unverändert anwenden, aber man darf Scrum durch hilfreiche, bewährte Methoden, Techniken und Praktiken ergänzen. Dies sind z.B. :
- Product Vision
- Release Plan
- Sprint Backlog (Selected Product Backlog)
- Taskboard
- Impediment Backlog
- Team Backlog
- Velocity Chart
- Regeln für die Zusammenarbeit
Scrum darf erweitert, aber selbst nicht verändert werden.
Wann ist es sinnvoll vom Scrum Guide abzuweichen?
Ich sehe den Scrum Guide eher als eine Guideline und nicht als starres Regelwerk. Wenn Sie noch nicht lange mit Scrum arbeiten, dann sollten Sie sich an die Richtlinien des Scrum Guides halten. Mit der Zeit werden Sie jedoch Ihre Erfahrungen machen, Neues ausprobieren und vielleicht in gewissen Punkten vom Scrum Guide abweichen. Ist das schlimm?
„Scrum-Verfechter“ wie z.B. Jeff Sutherland sagen: Wenn ein Scrum-Team von den im Scrum Guide definierten Rollen, Artefakten oder Ereignissen (Events) abweicht, diese verändert oder einfach weglässt, dann ist das nicht mehr Scrum sondern „Scrum But“ (übersetzt: Scrum aber). Nach dem Motto:“ We use Scrum, but…“. Einige Beispiele dafür sind:
- Wir verwenden Scrum, aber die täglichen Stand-Up Meetings kosten zu viel Zeit. Deswegen machen wir nur eines jeden zweiten Tag.
- Wir verwenden Scrum, aber schaffen es dieses mal nicht in den 14 Tagen unser Sprintziel zu erreichen. Deshalb verlängern wir den Sprint einfach um eine Woche.
Ich bin da nicht so streng! Wenn Sie in gewissen Punkten vom Scrum Guide abweichen und dies dem Team und dem Projekt hilft noch erfolgreicher zu werden, dann machen Sie dies und teilen Sie Ihre guten Erfahrungen! Es gibt immer wieder gute Gründe von Richtlinien abzuweichen, zu experimentieren und zu lernen. Der Scrum Guide ist aus meiner Sicht “nur” eine Richtlinie.
Scrum ist agiles Projektmanagement aber agiles Projektmanagement ist definitiv nicht Scrum.
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