Mit Risikobewältigungs-Strategien wirkungsvolle Maßnahmen definieren

Im letzten Artikel: Erfolgreiche Maßnahmenplanung im Risikomanagement, haben Sie die Grundlagen der Maßnahmenplanung im Projekt-Risikomanagement kennengelernt. Jetzt geht es darum die passende Risikobewältigungs-Strategie für die identifizierten Risiken zu definieren. Mit dieser reagieren Sie dann mit wirkungsvollen Maßnahmen auf Ihre Risiken. In diesem Artikel lernen Sie die verschiedenen Risikobewältigungs-Strategien kennen, wie diese wirken und wie Sie diese am besten einsetzen.

Welche Risikobewältigungs-Strategie ist die Richtige?

Nachdem Sie mit dem Projektteam die Risiken Ihres Projektes identifiziert haben, geht es nun darum, die am besten geeignete Risikobewältigungs-Strategie zu bestimmen. Risikobewältigungs-Strategie tönt für Sie vielleicht kompliziert. Ist es aber nicht! Der Charakter Ihrer Projektrisiken wird sehr unterschiedlich sein. Bei der Maßnahmenplanung prüfen Sie zuerst, welche Risikobewältigungs-Strategie die geeignetste für das jeweilige Risiko ist. Die Risikobewältigungs-Strategie definiert, was Sie mit der Maßnahme erreichen wollen. Die folgende Abbildung zeigt Ihnen die verschiedenen Risikobewältigungs-Strategien.

Die verschiedenen Risiko-Bewältigungsstrategien bei der Maßnahmenplanung

Risiken vermeiden

Bei dieser Strategie eliminieren Sie die Gefahr eines Risikos indem Sie die Ursache des Risikos eli­minieren oder die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos auf Null reduzieren. Eine offensichtliche Möglichkeit dazu ist eine Aktivität, die ein Risiko trägt, nicht auszuführen. Dies kann durch geschicktes Umplanen erreicht werden oder zum Beispiel, indem Sie eine Funktionalität des Produktes, die große Risiken birgt, weglassen.

Risiken vermeiden scheint die beste Strategie für alle Risiken zu sein. Sie sollten jedoch beachten, dass Risiken vermeiden eventuell auch bedeutet, dass Sie potentielle Gewinne verlieren, die Sie hätten, wenn Sie die Risiken eingingen.

Risiken vermeiden ist nicht immer die beste Strategie.

Einige Risiken können schon zu Beginn des Projektes vermieden werden, indem Sie die Projektziele und Anforderungen klar definieren. Auch eine umfassende Informationsbeschaffung, kla­­re Kommunikation und einbeziehen der relevanten Stakeholder hilft Risiken eliminieren.

Weitere Möglichkeiten sind: Reduzie­ren des Projektumfangs, um High-Risk Aktivitäten zu vermeiden, planen zusätzlicher Ressourcen und Zeit, vermeiden von unzuver­lässigen Lieferanten. Jedes beseitigte Risiko ist ein Erfolg!

Risiken vermindern

Bei dieser Strategie ergreifen Sie Maßnahmen, welche die Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder Auswirkung des Risikos reduzieren. Die Maßnahmen können entweder auf die Ursache des Risikos wirken (ursachenbezogene Risikoverminderung) oder direkt auf das Risiko wirken (wirkungsbezogene Risiko­ver­min­derung).

Zu den ursachenbezogenen Maßnahmen gehören zum Beispiel Coaching-Maßnahmen für den Projektleiter oder intensivere Tests der Software schon zu einem früheren Zeitpunkt des Projektes.

Die wirkungsbezogene Risikoverminderung kann weiter in Schadenbegrenzung und Schadenvorsorge unterteilt werden. Zu den wirkungsbezogenen Maßnahmen gehören zum Beispiel spezielle Sicherheitssysteme, die im Ernstfall sofort bestimmte Anlagenteile abschalten (Schadenvorsorge) oder Sprinklersysteme in Gebäuden, die den Schaden möglichst begrenzen (Schadenbegrenzung).

Weitere typische Maßnahmen, um Risiken zu vermindern sind z.B. Sicherheitsgurte und Airbags in Autos. Diese haben die Aufgabe Verletzungen im Falle eines Unfalls zu vermeiden oder zu verringern. Es gibt jedoch Stimmen, die sagen, dass dies den Fahrern eine falsche Sicherheit gibt. In diesem Fall sollte man besser Maßnahmen treffen, damit die Fahrer keinen Unfall verursachen. Das heißt, eher die Ursache behandeln statt die Wirkung (ursachenbezogene Risikoverminderung). Eine Maßnahme dafür wäre ein Antischleuderkurs, damit der Fahrer lernt sein Fahrzeug besser zu beherrschen.

Risiken übertragen

Risiken übertragen bedeutet, Sie geben das Risiko mit allen möglichen Konsequenzen und der Verantwortung für Ver­min­derungs­maß­nahmen an Dritte, die das Risiko besser managen können als Sie. Dies kann zum Beispiel eine Versicherung oder ein Unter­lieferant sein.

Risiken übertragen ist sinnvoll bei Risiken mit direkten finanziellen Auswirkungen. Dies kostet meistens eine Prämie. So berechnet der Unterlieferant einen Risikozuschlag in seiner Kalkulation oder die Versicherung verlangt eine Ver­sich­er­ungs­prämie.

Risiken werden auch oft in Ver­trags­klauseln übertragen, wie bei der Haftung oder Haf­tungs­be­grenzung oder bei der Ge­währung von Garantien oder bei Fix-Preis-Verträgen. Risiken an Unter­­liefe­ranten zu übertragen kann jedoch in bestimmten Fällen problematisch sein, denn Sie sind vom Unterlieferanten abhängig. Wenn der Unterlieferant das Risiko nicht im Griff hat, dann könnte es sein, dass auch Sie darunter leiden. Deshalb ist es oft besser die Risiken unter eigener Kontrolle zu haben.

Oft ist es besser die Risiken unter eigener Kontrolle zu haben als sie Anderen zu übertragen.

Risiken akzeptieren

„Wenn es passiert, dann passiert es”. Das Projektteam hat nach ausführlicher Bewertung entschieden, das Risiko zu akzeptieren d.h. selber zu tragen nichts zu unternehmen. Risiken selber tragen ist eine sinnvolle Strategie, zum Beispiel bei kleinen Risiken – aber auch bei Risiken, bei denen die Maßnahmen (z.B. eine Versicherung) teurer käme, als der mögliche Schaden kosten würde, wenn er eintritt.

Es könnte auch sein, dass Maßnahmen zu viele Folgerisiken generieren und deshalb nicht in Frage kommen. Aktives Akzeptieren bedeutet, dass das Projektteam doch noch einen Notfallplan ausarbeitet, für den Fall, dass das Risiko eintritt. Beim passiven Akzeptieren wird gar nichts unternommen. Wenn es passiert, dann werden wir den Schaden übernehmen.

Weitere Strategien

Eventual-Strategie: Diese Strategie finden Sie in obiger Abbildung nicht. Bei gewissen Risiken kann es sinnvoll sein, wenn das Projektteam Maßnahmen definiert, die nur unter bestimmten, vordefinierten Bedingungen (Trigger) eingeleitet werden, die das Eintreten des Risikos ankündigen.

Die Eventual-Strategie wird zum Beispiel angewendet, wenn man davon ausgeht, dass eine ausreichende Warnung vorliegt, bevor der Maßnahmenplan umgesetzt wird. Hier definieren Sie Ereignisse (wie z.B. verpasste Zwischen­meilensteine, verabschiedete Gesetze oder schlechte Wettervorhersagen), die Sie kontinuierlich überwachen, welche dann die Maßnahmen auslösen.

Diese Risiko­bewältigungs-Strategie wird oft auch als Notfallplan oder Fallback-Plan bezeichnet, was aus meiner Sicht jedoch nicht ganz korrekt ist. Mehr Informationen zum Fallback-Plan finden Sie in diesem Artikel: Der Fallback Plan – Wenn Maßnahmen für Risiken nicht wirken.

Das PMBOK® 6th Edition beschreibt mit „Eskalieren“ noch eine weitere Risikobewältigungs-Strategie, die ich bisher nicht aufgeführt habe und ich auch nicht als eine ansehe. Sie sollte diese aber trotzdem kennen.

Eskalieren: Diese Strategie wird angewendet, wenn das Projektteam Risiken identifiziert, die außerhalb des Scopes des Projektes liegen oder die definierte Maßnahme außerhalb der Autorität des Projektleiters liegt. Eskalierte Risiken werden dann auf Programm- oder Portfolio-Ebene gemanagt oder an einer anderen relevanten Stelle in der Organisation.

Was bestimmt Ihre Risiko-Bewältigungsstrategie?

Ihre Risiko-Bewältigungsstrategie ist unter anderem abhängig von der Art des Risikos den Rahmenbedingungen und den Restriktionen, denen Ihr Projekt ausgesetzt ist – aber auch von den Möglichkeiten, die Ihnen zur Verfügung stehen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist auch Ihre Risikobereitschaft (Risk Appetite) und ihre Risikotoleranz (oder die Ihres Unternehmens).

Mehr zur Risikobereitschaft (Risk Appetite):

Risk Appetite – Wie hungrig sind Sie?

Kennen Sie den Unterschied zwischen Risikobereitschaft, Risikotoleranz, Risikoschwelle?

Wenn Sie eine Risiko-Bewältigungsstrategie auswählen ist es auch sinnvoll Alternativstrategien zu untersuchen. Dazu beschreibt das PMBOK® die:

Alternativen-Analyse, bei der die Charakteristik und Anforderungen von alternativen Risiko-Bewältigungsstrategien miteinander verglichen werden – mit dem Ziel sich für die am besten geeignete Strategie zu entscheiden.

Kosten/Nutzen Analyse: Wenn sich die Auswirkungen eines Risikos monetär quantifizieren lässt, dann kann die Kostenwirksamkeit alternativer Risiko-Bewältigungsstrategien mit Hilfe einer Kosten-Nutzen-Analyse bestimmt werden. Das Verhältnis von (Veränderung des Auswirkungs-Levels) geteilt durch (Implementierungskosten) ergibt die Kostenwirksamkeit der Bewältigungsstrategie, wobei ein höheres Verhältnis eine wirksamere Strategie darstellt.

Hier gibt es noch mehr Wissen

Dies war eine Übersicht, über die verschiedenen Risiko-Bewältigungsstrategien. Was haben Sie für Erfahrungen mit Risiko-Bewältigungsstrategien gemacht?  Stimmen Sie mit meinen Aussagen überein oder haben Sie eine andere Ansicht? Teilen Sie Ihre Erfahrung mit einem Kommentar den Lesern mit, damit wir alle eine weitere Sicht kennenlernen. Danke!

Möchten Sie mehr erfahren, wie Sie Ihre Projekte mit systematischem Risikomanagement noch erfolgreicher machen? Mein Buch Risikomanagement für Projekte bringt Sie einen wichtigen Schritt weiter!

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