Wenn Sie sich mit Risikomanagement in Projekten oder im Unternehmen beschäftigen, dann begegnen Sie früher oder später den Begriffen Risikoeinstellung, Risikobereitschaft, Risikotoleranz und Risikoschwelle. Im gleichen Zusammenhang lesen Sie dann: Risikoavers, Risikotolerant und risikofreudig. Wissen Sie, um was es sich hier handelt? Nein? Kein Problem, Sie werden nicht alleine sein. Ich bin sicher, diese kurze Einführung erweitert Ihr Wissen. Lesen Sie weiter und erfahren Sie mehr!
Wie ist Ihre Risikoeinstellung?
Organisationen und Projektbeteiligte sind bereit Risiken in unterschiedlichem Maß einzugehen, abhängig von ihrer Einstellung zu Risiken. Diese Risikoeinstellungen (Risk Attitude) wird angetrieben durch Wahrnehmung, Toleranz und anderen Neigungen, die wenn immer möglich eindeutig sein sollten. Das Verhalten bezüglich Risiken reflektiert dabei ein in der Organisation wahrgenommenes Gleichgewicht zwischen Risikobereitschaft und Risikovermeidung. Die Risiko-Einstellung kann dabei durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst werden. Diese können gemäß PMBOK® in folgende drei Themen eingeteilt werden:
Risikobereitschaft (Risk Appetite) ist der Grad der Unsicherheit den ein Unternehmen bereit ist einzugehen, in Erwartung eines entsprechenden Nutzens.
Risikotoleranz (Risk Tolerance) ist der Grad, Menge oder Wert eines Risikos, die eine Organisation oder Person standhalten wird.
Risikoschwelle (Risk Threshold) bezieht sich auf einen bestimmten Schwellenwert, bis zu dem Stakeholder ein Interesse bekunden eine Ungewissheit oder eine Auswirkung zuzulassen. Unterhalb dieser Risikoschwelle wird die Organisation das Risiko akzeptieren; darüber wird es nicht toleriert.
Diese Begriffe begegnen uns nicht täglich und werden meistens in einem Umfeld verwendet, wo Risiken täglich ein Thema sind, z.B. in Risikomanagement-Abteilungen. Aber wenn Sie z.B. die PMI PMP Zertifizierung machen wollen, dann sollten Sie diese Begriffe schon kennen.
Sind Sie risikoscheu oder eher risikofreudig?
Als ich die erste Auflage meines Projektrisikomanagement-Buches schrieb waren wir gerade in großen Finanzkrise 2008-2010. In der Finanzwelt war es damals chaotisch und keiner wusste genau, was noch alles auf uns zukommen würde. Die Risiken werden auch in Zukunft groß sein und einige Risiken werden vermutlich auch eintreten. Nicht nur in der Finanzwelt, sondern auch im Nahen Osten drohen politische Risiken, der demographische Wandel unserer Gesellschaft birgt Risiken auch in unseren Breitengraden. Oft vergessen wir, dass auch unsere Projekte in einem Umfeld voller Ungewissheiten durchgeführt werden.
Manager, Politiker und Projektleiter müssen sich deshalb fragen: „Was sollen wir in diesem Umfeld von stetiger Ungewissheit tun?“ Die Antworten hängen wahrscheinlich oft davon ab, ob wir noch da sind, wenn etwas „passiert“, oder ob wir die Einstellung haben: „Nach mir die Sintflut“. Aber Sie werden mir zustimmen, meistens ist proaktives Handeln besser als zu reagieren, wenn dann doch etwas passiert. Wir müssen uns deshalb angemessen auf die herausfordernde Zukunft einstellen. Was heißt aber angemessen?
Die Einstellung zu Risiken (Risk Attitude) ist von Person zu Person verschieden. Das Spektrum reicht von risikoavers (Unwohlsein bei Ungewissheiten) über risikotolerant (keine spezielle Reaktion) bis zu risikofreudig (Ungewissheit wird begrüßt). Die folgende Abbildung zeigt dies mit dem Level vom Comfort/Discomfort gegenüber Risiken anschaulich.
Es gibt vier Arten, wie wir uns als Person oder Organisation auf Risiken einstellen können:
Risk-averse: Risiken abgeneigt sein (risikoscheu). Unwohlsein bei Ungewissheiten. Hier fokussieren Sie sich möglichst wenig Risiken einzugehen, Risiken auszuweichen und sich zu schützen, oder vorbeugen.
Risk-tolerant: Risikotolerante Organisationen fühlen sich einigermaßen wohl mit den meisten Ungewissheiten und akzeptieren Risiken als normale Eigenschaft im täglichen Leben, Business und bei Projekten. Sie gehen eher locker mit Risiken um. Risiken haben keinen offensichtlichen oder signifikanten Einfluss auf ihr Verhalten.
Risk-neutral: Risikoneutrale Organisationen sind bereit, kurzzeitig bewusst angemessene Risiken einzugehen, um langfristigen Nutzen zu generieren. Dies ist eine klare Abwägung zwischen Risiko und Gewinn.
Risk-seeking: Risikofreudig sein. Ungewissheit wird begrüßt. Es werden bewusst Risiken eingegangen – oft in der Hoffnung, dass diese nicht eintreten, und dass das entsprechende Handeln großen Gewinn abwirft.
Welches dieser Risikoverhalten ist nun bei Projekten passend? Jedes kann natürlich sinnvoll sein, abhängig von Ihrem Projektziel und den vorhandenen Ungewissheiten und potenziellen Chancen. Einerseits hängt unser Verhalten von unserer persönlichen Einstellung gegenüber Risiken ab, andererseits ist die Wahl stark von der entsprechenden Situation abhängig und wie die Ungewissheit unserer Meinung nach die definierten Ziele beeinträchtigt. Die Einstellung zu Risiken hat einen wesentlichen Einfluss auf die Risikomanagement-Aktivitäten. Ein risikoaverses Produktinnovationsteam ist ebenso wenig gut wie ein risikofreudiger Atomsicherheitsinspektor.
Risk Appetite – Wie hungrig sind Sie?
Der Begriff “Risk Appetite” wurde in der Vergangenheit eigentlich nur von Akademikern verwendet. Seit der Finanz- und Staatsschuldenkrise 2008 werden wir jedoch mit ihm des Öfteren konfrontiert. Was ist aber eigentlich der Unterschied zwischen “Risk Appetite” und “Risk Attitude” (Einstellung/Verhalten)? Darüber herrscht oft Verwirrung und nicht selten werden sie als Synonyme verwendet. Lösen wir uns einmal von der Risiko-Terminologie. Appetite ist ein innerer Wunsch, ein Gefühl das schlecht zu messen ist und sich als Hunger zeigt, Hunger nach Essen. Wie kann man Appetite quantifizieren? High, Medium, Low oder ich könnte ein Pferd verschlingen, oder doch eher nur einen Salat was eine Maßeinheit für den Appetite darstellt.
Also ist Appetite etwas was von innen kommt. Attitude ist dagegen etwas anderes. Hier geht es darum sich zu positionieren. Dabei hat man die freie Wahl in welche Richtung man sich positioniert. Wenn Sie auf Diät sind und Hunger haben, dann werden Sie sich doch eher für einen Salat entscheiden.
Mehr zu diesen Themen finden Sie auch in folgenden Artikeln:
Was ist der Unterschied zwischen Ungewissheit und Risiko?
Wie Sie reduzierbare und nicht reduzierbare Risiken erfolgreich managen
Was hat Resilienz in Projekten mit Risikomanagement zu tun?
Hier gibt es noch mehr Wissen
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