Werte sind zentral für unser Zusammenleben und Zusammenarbeiten und haben auch einen wesentlichen Einfluss auf den Projekterfolg. In agilen Projekten haben Werte einen hohen Stellenwert, damit Projektteams noch erfolgreicher zusammenarbeiten und in kurzer Zeit innovative Lösungen liefern. Werte in der Zusammenarbeit sollten eigentlich selbstverständlich sein – sind sie aber nicht. Wann wurde in Ihrem Unternehmen oder Team zum letzten Mal über Werte gesprochen? Dieser Artikel stellt Ihnen die 5 Scrum-Werte (Scrum Values) vor und zeigt, wie diese Projektteams noch erfolgreicher anwenden.
Agile Vorgehensmodelle basieren auf einem Wertesystem
Nehmen Sie zwei erfolgreiche Universität-Absolventen, zwei Extrovertierte, einen Programmierer und einen Doktor – und fertig ist das perfekte Projektteam. So einfach ist es leider nicht. Es zeigt sich immer wieder, dass es nicht nur wichtig ist, wer in einem Team ist, sondern auch wie die Mitglieder in diesem Team zusammenarbeiten.
In agilen Projekten und mit selbstorganisierenden Teams haben Werte einen hohen Stellenwert in der Zusammenarbeit. Scrum als agiles Vorgehensmodell basiert auf verschiedenen Praktiken, Prinzipien und Werten und nur wenn diese zusammenspielen, entfaltet Scrum sein volles Potential. Die fünf Werte von Scrum sind aus den Werten des agilen Manifests abgeleitet und sind nicht mit diesen zu verwechseln. Mit den 5 Scrum-Werten sind mehr immaterielle, moralische, beziehungsweise innere Werte und Handelsmuster gemeint. Sie haben deshalb eine starke Beziehung zur agilen Einstellung.
Unsere Umgangsweise mit Anderen
Werte sind als Verhaltensmuster definiert, die uns selbst und unsere Umgangsweise mit anderen repräsentieren. Gemäß dem deutschen Sozilogen Hans Joas sind Werte attraktiv-motivierend, Normen hingegen restriktiv-obligatorisch. Werte sind also breiter aufgestellt als Normen. Sie sind offen für Interpretationen und Diskussionen, weil sie eher abstrakt sind. Normen sind da deutlich konkreter.
Die 5 Scrum-Werte als das Fundament
Die fünf Scrum-Werte sind das Fundament von Scrum. Sie wurden 2016 in den aktualisierten Scrum Guide aufgenommen. Es wurden in Scrum bewusst wenige Werte gewählt, damit diese auch akzeptiert und gelebt werden. Mehr Werte in einem Team wirklich zu leben wäre sehr anforderungsvoll.
Wenn die Werte durch das Scrum-Team verkörpert und gelebt werden, werden die Scrum‐Säulen Transparenz, Überprüfung und Anpassung lebendig und bauen bei allen Beteiligten Vertrauen zueinander auf. Die Mitglieder des Scrum-Teams lernen und erforschen diese Werte, indem sie mit den Scrum Ereignissen, Artefakten und Rollen arbeiten.
Der erfolgreiche Einsatz von Scrum beruht darauf, dass alle Beteiligten kompetenter bei der Erfüllung dieser fünf Werte werden. Sie verpflichten sich persönlich dazu, die Ziele des Scrum-Teams zu erreichen und dazu bilden die Scrum-Werte das Fundament. Die Mitglieder des Scrum-Teams haben den Mut, das Richtige zu tun und an schwierigen Problemen zu arbeiten. Jeder fokussiert sich auf die Arbeit im Sprint und die Ziele des Scrum-Teams. Das Scrum-Team und seine Stakeholder sind sich einig, offen mit allen Belangen ihrer Arbeit und den damit verbundenen Herausforderungen umzugehen. Mitglieder eines Scrum-Teams respektieren sich gegenseitig als fähige, eigenverantwortliche Individuen.
In den nächsten Abschnitten finden Sie eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Scrum-Werte.
Verpflichtung (Commitment)
In Scrum wird der Wert Commitment oft interpretiert mit: Das Development-Team verpflichtet sich persönlich dazu, die gesetzten Ziele zu erreichen. Dazu gehört zum Beispiel, die für den Sprint vorgesehenen Backlog Items bis zum Ende des Sprints fertigzustellen. Das heißt kein Dienst nach Vorschrift. Bei Problemen wird den Anderen geholfen, wo möglich. Man erreicht das Ziel gemeinsam mit vollem Einsatz!
Sie können sich sicher vorstellen, dass dies natürlich nicht immer einfach ist, da das Team stark von Außen abhängig ist, z. B. durch Zulieferungen, Fragen bleiben unbeantwortet oder Entscheidungen werden nicht gefällt.
Unter anderem verpflichtet sich das Development-Team im Sprint Planning eine Prognose zu liefern, welche Backlog Items im aktuellen Sprint umgesetzt werden.
Der Wert Verpflichtung ist aber einiges breiter zu verstehen, denn dazu gehört auch sich verpflichten zum Team, zur Qualität, zur Zusammenarbeit und zum Lernen. Sich verpflichten das Beste zu tun was wir können – jeden Tag. Sich verpflichten zum Sprint Ziel, zu Excellence … und nicht zu guter Letzt zu den Agilen Prinzipien.
Mut (Courage)
Finden Sie nicht auch, Mut in der Produkteentwicklung ist schon sehr speziell. Das darf natürlich nicht falsch verstanden werden. Im agilen und kollaborativen Umfeld ist dieser Wert jedoch sicher zutreffend. Mut gedeiht, wo die Arbeit im Team von Offenheit und Respekt geprägt ist.
Wir zeigen Mut Anforderungen zuzulassen, die nie perfekt sind und wir wissen, dass kein Plan die Realität und Komplexität erfassen kann. Mut, alle Informationen zu teilen (Transparenz), die dem Team und der Organisation helfen könnten. Mut, die Richtung zu ändern. Mut seine eigene Meinung zu vertreten, z. B. zu Prozessverbesserungen, auch gegen den Widerstand anderer Teammitglieder. Mut, Risiken und Nutzen zu teilen. Auch der Mut in einer entsprechenden Situation “Nein“ sagen zu können muss aktiv gefördert werden.
Besonders die geforderte Transparenz ist für viele Personen nicht einfach. Auf einmal wird sehr transparent, was sie wirklich leisten, was für Fehler sie machen und dass z. B. Versprechungen nicht eingehalten werden können. Es braucht Mut sich auf vollständige Transparenz einzulassen. Und in der Regel wird dieser Mut belohnt, da auf lange Sicht Vertrauen damit geschaffen wird.
Als Scrum Master muss man oft mutig sein, um das Development-Team vor störenden Einflüssen von Außen zu schützen. Der Product Owner braucht Mut, wenn er z. B. eine Entscheidung trifft, ohne alle Fakten detailliert zu kennen.
Mut hängt aber auch mit dem Wert „Respekt“ zusammen und mit einer offenen Fehlerkultur. Das heißt Mut haben z. B. über Fehler zu sprechen – natürlich auch die Eigenen.
Mit Mut ist nie Übermut gemeint. Wer aber keinen Mut hat und keine Risiken eingeht, gewinnt nichts!
Fokus (Focus)
Das interaktive, inkrementelle Vorgehen von Scrum und das Time-Boxing erlauben es dem Development-Team sich besser während der Arbeit zu fokussieren. Sobald der Sprint gestartet ist gilt nur eines: Die Backlog Item umzusetzen. Nur darauf alleine liegt dann der Fokus des Development-Teams.
Ein Development-Team kann nur dann optimale Ergebnisse liefern, wenn es in seiner Arbeit so wenig wie möglich gestört wird. Jede Ablenkung soll vermieden werden, wie das Tagesgeschäft, andere Projekte, Liniensitzungen, Aushelfen bei Kollegen usw.
Die Development-Teammitglieder sollten möglichst nur an einem Projekt und konzentriert in einem abgesonderten Büro zusammenarbeiten. Die Aufgaben/Anforderungen in den Backlog-Items sind ausreichend klar bekannt, so dass konzentriert gearbeitet werden kann. Die Backlog Items werden der Reihen nach abgearbeitet, es wird möglichst nur an einem Item gearbeitet und durch die „Definition of Done“ ist auch klar, wenn ein Item fertiggestellt ist.
Der Product Owner fokussiert sich auf die Beschreibung von Ideen, Konzepten und Eigenschaften des Produktes. Der Scrum Master fokussiert sich, dass die Scrum-Regeln eingehalten werden. Er tut alles, um die Produktivität des Development-Teams zu verbessern und alle störenden Einflüsse vom Development-Team fernzuhalten.
Offenheit (Openness)
Informationen können nur Nutzen generieren, wenn diese frei zugänglich sind und man damit offen umgeht. Dies ermöglicht fundierte Entscheidungen und fördert die Effizienz während der Arbeit und bietet höchstmögliche Transparenz gegenüber dem Scrum-Team und den Stakeholdern.
Im Sprint Review Meeting wird den Stakeholdern offen der Entwicklungs-Fortschritt präsentiert und das Team ist offen für deren Feedback.
Offenheit erzeugt ein Arbeitsumfeld, in dem man um Hilfe fragen und Hilfe anbieten. Offenheit ermöglicht die eigene Perspektive und Meinung zu äußern und unterstützt so Teamentscheidungen. In einer offenen Fehlerkultur kann man Fehler und Probleme offen kommunizieren, damit man diese schnell beheben kann und alle daraus lernen können. In Scrum ist man offen, über Disziplinen und Fähigkeiten hinaus zusammenzuarbeiten und offen Feedback auszutauschen und daraus zu lernen. Es braucht Mut sich auf vollständige Offenheit und Transparenz einzulassen!
Das Scrum Framework umfasst verschiedene Elemente, die Offenheit fördern, wie z. B. ein transparentes Product Backlog, die Sprint Retrospektive, das Daily Scrum, Taskboards usw.
Offenheit schafft Vertrauen!
Respekt
Respekt sollte schon im Alltag eine Selbstverständlichkeit sein – ist es aber leider nicht immer. Ohne gegenseitigen Respekt wird ein Scrum-Team nicht erfolgreich arbeiten. Die Teammitglieder arbeiten eng und intensiv zusammen und dies funktioniert nur, wenn sie sich gegenseitig respektieren, ihre Verschiedenheit akzeptieren, die Stärken kennen und nutzen und die Schwächen und Eigenarten respektieren. Respekt hat nach meiner Ansicht auch einen direkten Bezug zu Vertrauen und Reife.
Respekt hat auch stark etwas mit dem Menschenbild jedes einzelnen Mitarbeiters zu tun. Wenn wir respektieren, dass Menschen motiviert sind, Leistung erbringen wollen, gute Absichten haben, dann ist schon ein wichtiger Baustein für eine produktive, erfolgreiche Zusammenarbeit gelegt.
Die Scrum-Werte leben
Wenn Sie die letzten Abschnitte gelesen haben, dann haben Sie vielleicht gedacht: Das ist aber anspruchsvoll. Das stimmte ich Ihnen zu. Sie können sich sicher vorstellen, dass diese Werte nicht bei jedem Teammitglied gleich stark ausgeprägt sind. Man kann aber bei sich selbst und im Team solche Werte fördern. Das ist natürlich nicht einfach und braucht Zeit. Darum hat ein selbstorganisierendes Scrum Development-Team einen Scrum Master (Coach), der das Team dabei unterstützt diese Werte zu fördern und zu leben!
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