Der Unfall im Gotthard Basistunnel vom 9. August 2023 hatte schwerwiegende Folgen. Ein bei 100 km/h entgleister Güterzug verursachte erheblichen Schaden und wird voraussichtlich den Personenverkehr im Tunnel für Wochen oder Monate sperren. Die Passagiere müssen auf die alte Bergstrecke ausweichen. Die ganze Tunnel wird erst in 4 bis 6 Monaten wieder nutzbar sein, wenn auch nur eingeschränkt. Das Risiko für Güterzugentgleisungen war bekannt, und nun, einige Jahre nach der Eröffnung des Tunnels, ist es eingetreten. Den risikofreien Zustand gibt es nicht. Eine Restwahrscheinlichkeit gibt es immer und dies kann fatale Folgen haben. Wie kam es dazu? Lesen Sie weiter und erfahren Sie mehr!
Eine Entgleisung die gravierende Folgen hat
Die Folgen des Unfalls im Gotthard Basistunnel vom 9. August 2023, bei dem ein Güterzug bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h entgleiste, sind gravierend. Neben einem Schaden von vielen Million Franken wird der Gotthard-Basistunnel voraussichtlich für mehrere Wochen, wenn nicht Monate für den Personenverkehr gesperrt werden. Die Passagiere müssen auf die alte Bergstrecke umsteigen. Wahrscheinlich erst in 4 bis 6 Monaten dürften beide Röhren wieder für den Bahnverkehr zur Verfügung stehen – und auch dann noch mit Einschränkungen. Das Risiko einer Güterzugentgleisung war bei der Eröffnung des Tunnels bekannt – und jetzt, ein paar Jahre nach der Eröffnung des längsten Eisenbahntunnels der Welt ist das Risiko eingetroffen.
Man musste damit rechnen, dass irgendwann dieses Risiko eintritt
Der Schaden in der noch relativ neuen Tunnelröhre ist gravierender als zuerst angenommen. Acht Kilometer Gleise und 20 000 Betonschwellen in der Weströhre müssen ersetzt werden – neben sonstigen Beschädigungen der Röhre. Während dieser Zeit kann natürlich kein Zug die beschädigte Tunnelröhre passieren. Zum guten Glück gibt es eine Parallelröhre und die die alte Bergstrecke, die man eigentlich stilllegen wollte. Für den Güterverkehr soll die Parallel-Röhre nach zwei Wochen wieder geöffnet werden,
Maßnahmen waren definiert und umgesetzt
Dass Güterzüge entgleisen, ist leider keine Seltenheit. Das hängt mit der hohen Belastung der Wagen (Räder und Achsen) und mit der nicht immer guten Wartung zusammen – besonders bei Güterzügen, die aus dem Ausland kommen. Das wusste man bei der Eröffnung des Gotthardtunnels im Jahr 2016. Bei einem solchen, mehrere Milliarden teuren Jahrhundertbauwerk, sind Risikoanalysen für den Bau und den Betrieb elementar. Auch das Risiko einer Güterzugentgleisung wurde sicher detailliert analysiert und dafür umfassende Maßnahmen definiert. Unter anderem gibt es teure automatische Kontrolleinrichtung, die den Zustand der Güterwagen analysiert, bevor der Zug den Tunnel passiert. Oft gibt es auch noch manuelle Kontrollen bei speziellen Situationen.
Neben Risikoverminderungs-Maßnahmen, wurden auch Maßnahmen definiert, falls ein solches Risiko tatsächlich eintritt. Es werden, unter anderem, jährlich 50 Millionen Franken in die alte Gotthardstreck mit seinem Tunnel investiert, die nach der Eröffnung des neuen Tunnels nur noch als „Panoramastrecke“ dient, aber auch als Ausweichroute im Ereignisfall. Ohne diese zusätzliche Route wäre der gesamte Nord-Süd-Bahnverkehr auf der Gotthard-Achse blockiert gewesen. Dass es sie noch gibt, ist nicht selbstverständlich: Als der Gotthard-Basistunnel im Dezember 2016 in Betrieb genommen wurde, kamen Forderungen auf, die Bergstrecke mit ihrem mehr als 100 Jahre altem Tunnel stillzulegen oder zumindest zurück zu bauen.
Denken in Notfallszenarien
Im Güterverkehr zeigt sich einmal mehr, wie wichtig es ist, Notfallszenarien für einen Streckenunterbruch zu haben. Die Branche ist bis heute vom „Rastatt-Desaster“ traumatisiert. Gemeint ist damit die siebenwöchige Vollsperrung der Rheintalbahn in Deutschland 2017. Der Unterbruch erschütterte das Vertrauen der Verladungsindutrie in den umweltfreundlicheren Schienentransport nachhaltig und stärkte den Straßentransport mit Camions. Inzwischen wurden die Notfallkonzepte verbessert. Sollte die Unfallursache im Gotthardtunnel auf einen Bruch des Radsatzes eines Güterwagens zurückzuführen sein, ist mit weitreichenden Konsequenzen für den Schienengüterverkehr zu rechnen.
Restrisiken lassen sich nie ganz vermeiden
Blicken wir zurück zum Güterzugunfall in Viareggio am 29. September 2009, bei dem 32 Menschen starben und 27 weitere verletzt wurden. Damals ist im Bahnhof der toskanischen Gemeinde ein mit Flüssiggas beladener Zug wegen eines Radbruchs entgleist. Mehrere Tankwagen kippten um und das explodierende Gas verwüstete grosse Teile eines Stadtviertels. Italien hat danach die Schraube in Sachen Sicherheit stark angezogen und etliche neue Regeln eingeführt, was für den Transport und die Güterbahnen hohe Mehrkosten bedeutet. Allerdings darf man sich keine Illusionen machen: Das Risiko von Radbrüchen wird sich trotz zusätzlicher Kontrollen leider nie ganz vermeiden lassen.
Benedikt Weibel, der langjährige Generaldirektor der Schweizer Bahnen vermeidet das Wort «Restrisiko». Er redet lieber von «Restwahrscheinlichkeit»: Obwohl die Bahn im Vergleich mit anderen Verkehrs- und Transportmitteln sehr sicher ist, lassen sich Entgleisungen und Unfälle nicht völlig ausschließen.
Die Entgleisung im Gotthard-Basistunnel habe ihm an den 8. März 1994 erinnert. Damals entgleiste ein Zug aus Deutschland mit Erdölprodukten bei Zürich-Affoltern. „Der Lokomotivführer hat es nicht gemerkt und ist weitergefahren. Bei einer Weiche sind dann die Wagen gekippt und explodiert – und dies in einem Wohngebiet mit Hochhäusern. Dabei wurden drei Menschen wurden schwer verletzt und weit über 100 Personen evakuiert“.
Das war das erste Unglück in einer Serie im Frühsommer 1994. Nur 13 Tage später schlitzte ein Schienenkran bei Däniken sieben Wagen eines Schnellzuges auf Fensterhöhe seitlich auf. Neun Passagiere kamen ums Leben, 21 wurden zum Teil schwer verletzt. Und am 29. Juni 1994 entgleiste ein Güterzug, der hochgiftiges Chlorid transportierte, im Bahnhof von Lausanne: 400 Liter des Gifts flossen aus. Wegen Explosions- und Vergiftungsgefahr wurden rund 100 Personen um den Bahnhof evakuiert.
Seither ist im Bahnverkehr in der Schweiz nichts vergleichbar Schlimmes mehr passiert. Dies, weil nach der Unglücksserie zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen wurden. Unter anderem entwickelte die Bahn einen Entgleisungsdetektor für Güterzüge.
Den risikofreien Zustand gibt es nicht
In vielen Industriebereichen sind Risiken täglich präsent, besonders, wo technische Dinge im Einsatz sind. Mir kommen hier spontan der Transportbereich, die Ölförderung oder die Bauindustrie in den Sinn. Entweder versagt die Technik, es wurden Fehler gemacht bei der Entwicklung oder Montage von Maschinen oder Anlagen oder der Mensch macht während des Betriebs/Bedienung Fehler, die zu Unfällen oder Katastrophen führen. In der Finanzindustrie, bei Banken und Versicherungen sind es dann eher Cyberrisiken, Datenschutz- oder regulatorische-Risiken oder Betrugsrisiken. Hier sind weniger Menschenleben gefährdet, wenn solche Risiken eintreten. Der oft immaterielle Schaden kostet dann einfach sehr viel.
Im Automobil und Flugzeugbau hat man eine Maturität bezüglich Restrisiken erreicht, die in vielen Branchen vermutlich nie erreicht wird. Die Frage ist immer, welchen Aufwand will man einsetzen, um “risikofrei” zu werden? Die Frage ist eigentlich überflüssig, denn den risikofreien Zustand wird es nie geben.
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